Petra Klug
Petra Klug
10. Oktober 2018
Digitales Landleben

Attraktive Regionen durch digitales Landleben

Neue digitale Informations- und Kommunikationsformate, Mobilitätsangebote oder digitale Verwaltungs- und Gesundheitsservices können den Gegensatz zwischen Stadt und Land überbrücken. Ziel sind gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland.

Die bereits bestehende regionale und soziale Spaltung der Gesellschaft durch den demografischen Wandel wird durch die Digitalisierung weiter verstärkt – zumindest besteht diese Gefahr, wenn nicht gegengesteuert wird. Der Zugang zu digitalen Angeboten und Services ist regional sehr unterschiedlich verteilt. Digitale Kompetenzen sind in einigen Bevölkerungsgruppen stärker vorhanden als in anderen. Und gleichzeitig liegen die Chancen einer digitalen Transformation auf der Hand: Gerade in ländlichen Regionen können Infrastrukturen und Services in Bereichen wie Mobilität, Gesundheit oder Bildung durch digitale Anwendungen ganz neu gedacht werden. In unserem Projekt Smart Country wollen wir Kommunen dabei unterstützen, die digitale Transformation gerade auch für ländliche Räume als Chance zu begreifen. Wie kann sie helfen, den demografischen Wandel zu meistern und Regionen attraktiv zu halten?

Leben in der Stadt oder auf dem Land?

Wer die demografischen Entwicklungen der letzten Jahre analysiert, stellt fest, dass sich regionale Unterschiede immer weiter ausdifferenzieren. Eindeutige Ost-West- oder Nord-Süd-Gegensätze greifen in der Regel zu kurz. Die demografischen Entwicklungen in unseren Städten und Gemeinden sind zunehmend heterogener. Neben der gestiegenen Zuwanderung nach Deutschland zählen vor allem Binnenwanderungen zu den entscheidenden Faktoren, die die Entwicklung und Zusammensetzung der Bevölkerung beeinflussen. Sie führen zu Zu- oder Abwanderungen, zu einer jüngeren oder älteren Einwohnerschaft. Die Gründe für Binnenwanderungen sind vielfältig und individuell: Sie reichen vom Umzug aufgrund eines Arbeitsplatzwechsels oder besserer Wohnangebote bis zum Wunsch, im Alter in der Nähe der Kinder zu leben. Und sie hängen vom persönlichen Lebensmodell ab – einem Leben auf dem Land, in der Stadt oder irgendwo dazwischen. Gerade junge Menschen zieht es zwar nach wie vor in die urbanen Zentren, wie eine Analyse von Wanderungsdaten aus unserem Informationsportal wegweiser-kommune.de zeigt. Doch auch kleinere Städte und Gemeinden gewinnen zunehmend an Attraktivität: im Umland der Metropolen, aber auch in ländlichen Regionen. Gerade für letztere ist dieser Trend eine Chance – vorausgesetzt, die Arbeits- und Lebensbedingungen stimmen.

Digitales Landleben

Auch wenn die Grundvoraussetzung – ein schneller Netzzugang – gerade in den ländlichen Räumen alles andere als komfortabel ist, haben sich bereits verschiedene Regionen auf den Weg gemacht. Start-ups und Coder entwickeln auch jenseits der „Smart Cities“ innovative digitale Anwendungen, die das Leben auf dem Land leichter machen. Staatliche Förderprogramme unterstützen in Kooperation mit Technologieunternehmen oder Forschungsinstituten Initiativen, die Regionen digital voranbringen. Kommunalverwaltungen arbeiten zusammen mit lokalen Unternehmen und der Zivilgesellschaft daran, ihre Dörfer und Gemeinden für die ansässige Bevölkerung lebenswert zu halten und attraktiv zu gestalten.

Funktioniert Coworking auch auf dem Land? Wie lassen sich dort Mobilitätsketten organisieren? Nicht alles, was in großen Städten funktioniert, lässt sich ohne weiteres auf kleinere Städte oder Dörfer übertragen. Manches aber eben doch, wie viele Projekte und Initiativen zeigen. Und manches wird dann eben passgenau „vom Land fürs Land“ entwickelt wie bei den Digitalen Dörfern in Rheinland-Pfalz. Eine digitale Infrastruktur ist komplex und lässt sich nicht so einfach schaffen – weder in der Stadt, noch auf dem Land. Und innovative Leuchtturmprojekte führen nicht automatisch dazu, dass sich Kommunen in der Fläche weiterentwickeln und voneinander lernen. Dennoch: Gerade im Kontext Digitalisierung sind gute Praxisbeispiele für ein digitales Landleben so wichtig, da sie konkret zeigen, was heute schon möglich ist und wo die Vorteile liegen.

Regionale Digitalstrategien

Natürlich darf es nicht bei digitalen Vorzeigeprojekten bleiben – Ziel muss immer eine Verstetigung und vor allem ein Transfer in andere Gemeinden und Regionen sein. Wichtige Grundlage dafür sind spezifische Digitalstrategien, welche die vielfältigen Besonderheiten der Regionen berücksichtigen. Die Stärkung der Wirtschaftskraft und Sicherung der Daseins-vorsorge sind Ziele, die für alle Kommunen gleichermaßen gelten. Wie kann dies gelingen und welche Handlungsfelder haben Priorität? Diese Fragen müssen regional zwangsläufig sehr individuell beantwortet werden. Dabei sind die Ausgangslagen in den Regionen, nicht zuletzt durch demografische Entwicklungen, sehr unterschiedlich – fördernde und hemmende Faktoren sehr ungleich verteilt. In unserer Studie, in der Grundlagen für regionale Digitalstrategien bereitstellt werden, wurden mittels einer Clusterung acht Raumtypen entwickelt. Für jeden Typ werden zum einen Handlungsmöglichkeiten (Chancen und Potenziale) aufgeführt, Wirtschaftskraft als Basis für regionale Initiativen auszubilden. Zum anderen werden Handlungserfordernisse (Bedarfe) beschrieben, um Daseinsvorsorge zu sichern – in den Metropolen ebenso wie in ländlichen Räumen im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse.

Digitale Vorreiternationen

So wichtig regionale Digitalstrategien sind, um die besonderen Ausgangslagen zu berücksichtigen, so wichtig ist eine gesamtstaatliche Digitalstrategie. Dass Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern in dieser Hinsicht bestenfalls im Mittelfeld liegt, zeigen internationale Rankings. Im Rahmen unserer internationalen Recherche zum Reinhard Mohn Preis 2017 wurden staatliche Strategien zur Gestaltung und Nutzung der digitalen Transformation untersucht. So unterschiedlich die geopolitischen und wirtschaftlichen Ausgangssituationen beispielsweise in Ländern wie Estland, Israel, Schweden und Österreich auch sind, haben diese Länder dennoch eine Gemeinsamkeit: In allen wurden die Chancen, die in der Digitalisierung liegen, sehr früh erkannt. Das Beispiel Schweden, mit wirklich großen Entfernungen in ländlichen Räumen, hat bereits in den 1990er Jahren die notwendigen Grundlagen für eine digitale Transformation geschaffen, etwa beim Breitbandausbau oder bei der Entwicklung digitaler Kompetenzen. Es gab und gibt einen ausgeprägten politischen Willen zur Umsetzung, pragmatisch und orientiert an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger. So vorbildlich die digitalen Aktivitäten in einigen Dörfern und Regionen in Deutschland bereits sind, bedarf es deutlich stärkerer gesamtstaatlicher Anstrengungen, um die Chancen der Digitalisierung für ländliche Räume zu nutzen.

 

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