Im Vordergrund: mehrere Wegmarken auf denen aber nichts steht. Im Hintergrund: ein Bergpanorama mit vielen kleinen Dörfern.
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„Kommunen finden nicht mehr durch den Förderdschungel“ 

In Südwestfalen, einem regionalen Zusammenschluss der fünf Landkreise Soest, Olpe, Siegen-Wittgenstein, Märkischer Kreis und Hochsauerlandkreis, hat das kooperative Miteinander bei der Zukunftsgestaltung eine zentrale Bedeutung und ist einer der Leitsätze der Vision 2030 für Südwestfalen, die als strategische Grundlage für die Bewerbung um verschiedene Strukturprogramme wie die REGIONALE 2025 oder das Bundesmodellvorhaben Smart Cities fungiert. So entwickeln sich fünf Kommunen gemeinsam zu Smart Cities: 5 für Südwestfalen. Die Südwestfalen Agentur ist als „Spinne im Netz“ koordinierend und maßgeblich an dem Projekt beteiligt. Im Interview berichtet die Prokuristin der Südwestfalen Agentur, Stephanie Arens, über das Vorhaben und Stolpersteine bei der Bewerbung für Förderprojekte.

Dieses Interview ist dem Policy Paper „Digitale Landpionier:innen – Politikempfehlungen für eine Progressive Provinz“ entnommen, das am 25. Januar auf der Website der Bertelsmann Stiftung veröffentlicht wurde. Darin finden sich u.a. auch Politikempfehlungen für die Neugestaltung von Fördermitteln.

 

Welchen Ansatz verfolgen Sie bei Smart Cities: 5 für Südwestfalen? 

Arens: In dem Projekt, einem Bundesmodellvorhaben, möchten die fünf beteiligten Kommunen Soest, Menden, Arnsberg, Bad Berleburg und Olpe die digitale Transformation gemeinsam angehen. Smart City ist ein großes Feld: Es geht darum, wie wir unsere Städte klug und nachhaltig aufstellen, wie wir unsere Verwaltung neu organisieren. Es geht um Bürgerbeteiligung, eine neue Organisation der Mobilität und vieles mehr. Die Bürgermeister der nun beteiligten Kommunen wollten die Herausforderungen und Chancen rund um die digitale Transformation gemeinsam und arbeitsteilig angehen – dies auch vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen. Großstädte wie Dortmund, Darmstadt oder Bonn haben hier ganz andere Möglichkeiten, an das Thema heranzugehen. Wir haben uns deshalb für den regionalen Ansatz entschieden, weil wir voneinander profitieren, wenn wir gemeinsam vorangehen. 

Woraus besteht dieses Miteinander? 

Arens: Die ersten beiden Jahre waren vorgesehen, um eine gemeinsame strategische Grundlage zu schaffen, das Leitmotiv ist hier die Südwestfalen-DNA – wir wollen uns digital, nachhaltig und authentisch, also zur Region passend, weiterentwickeln. Die Rahmenstrategie wurde nun verabschiedet und bildet einen Orientierungsrahmen für die fünf teilnehmenden Kommunen, aber auch für alle weiteren 54 Kommunen in Südwestfalen. Denn die anderen Kommunen können die Strategie als gemeinsames Commitment übernehmen. Der Wissenstransfer wird über unsere sogenannte Smart Cities: Schule organisiert. Vor Ort können die Kommunen die Strategie nochmals schärfen, indem sie diese auf ihre lokalen und individuellen Bedürfnisse anpassen. 

Die Kommunen setzen dann unterschiedliche Schwerpunkte. Die Erfahrungen werden immer miteinander geteilt, sodass andere davon profitieren können. Arbeitsteiliges Vorangehen funktioniert hier richtig gut. Außerdem gibt es ein gemeinsames „Leitprojekt“, in dem eine offene regionale Datenplattform entwickelt wird. Eine IT-Basisinfrastruktur wird geschaffen für verschiedene Anwendungen wie z. B. Bürgerportale, die dann alle Kommunen nutzen beziehungsweise für sich adaptieren können. 

Welche Akzente setzen die einzelnen Kommunen? 

Arens: Menden treibt vor allem das gemeinsame Thema Offene Regionale Datenplattform voran und Soest hat beispielsweise das Thema Datenstrategie vorangetrieben. Die Stadt Bad Berleburg hat ihre Smart City-Strategie sehr eng an ihre Nachhaltigkeitsstrategie geknüpft. Arnsberg ist stark im Bereich Bildung und Bürgerbeteiligung unterwegs. Olpe setzt das Schwerpunktthema New Work. 

Welche Wirkung entfaltet das Modellprojekt?

Arens: Bis zu dem Modellvorhaben spielte das Thema Smart City in unserer Region keine große Rolle. Jetzt denken wir das Thema neu für eine ganze Region. Für die Bürger:innen liegt der Vorteil darin, dass Prozesse durch digitale Anwendungen vereinfacht werden. Sie werden dann einen einfacheren Zugang zur Verwaltung und bürgernahen Dienstleistungen haben und profitieren von einem besseren Leben in der Stadt. Ein Beispiel wäre etwa die BürgerWOLKE in Soest. Dort werden durch über 100 in der Stadt verteilte Sensoren lokale Klimadaten erfasst und öffentlich zur Verfügung gestellt. Damit soll ein Frühwarnsystem aufgesetzt werden, sodass die Menschen besser über Hitzeentwicklungen, hohe Emissionswerte oder Hochwassergefahren gewarnt werden können. 

Inhaltlich eng verbunden mit dem Smart Cities-Prozess ist die REGIONALE 2025 in Südwestfalen, ein Strukturprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen zur regionalen Entwicklung. Darüber kann die Region konkrete innovative Projekte mithilfe einer Förderpriorisierung des Landes Nordrhein-Westfalen umsetzen. Das Besondere dabei ist, dass die Projektträger:innen in einem regionalen Qualifizierungsprozess von der guten Idee bis zur Umsetzung eines Projekts eng begleitet und auch Synergien zwischen Projekten und Programmen aus der gesamten Region gesucht und miteinander „gematcht“ werden. So entstehen in der REGIONALE 2025 z. B. weitere Anwendungsfälle für die Offene Regionale Datenplattform, die wiederum im Smart Cities-Prozess erarbeitet wurde oder städtebauliche Projekte, die inhaltlich das New Work-Konzept aufgreifen. Beide Programme, REGIONALE 2025 und Smart Cities greifen also eng ineinander.

„Manche Förderprogramme sind jedoch sehr kompliziert gestaltet und werden oft nicht gut kommuniziert.“

Welche Erfahrung haben Sie mit der Projektförderung gemacht? 

Arens: Die Beantragung und die Fördermodalitäten rund um das Smart Cities-Bundesmodellvorhaben waren und sind relativ einfach. Manche Förderprogramme sind jedoch sehr kompliziert gestaltet und werden oft nicht gut kommuniziert. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass z. B. Projektträger:innen ein dreistufiges Verfahren durchlaufen müssen, obwohl ihnen das so nicht vermittelt wurde. Sie hatten einen Antrag eingereicht, der im Anschluss aber nur als Interessenbekundung bezeichnet wurde. Sie mussten dann einen weiteren Antrag mit ergänzenden Unterlagen nachreichen, einen sogenannten. Vorantrag, und dann noch einen finalen Antrag schreiben. Wenn es tatsächlich ein dreistufiges Verfahren ist, dann muss man es auch von Anfang so benennen, damit man sich darauf einstellen kann ‒ oder es direkt vereinfachen. Das ist Projektträger:innen sonst fast nicht mehr vermittelbar. 

Wie einfach oder wie schwierig ist es für Kommunen, das richtige Förderprojekt auszuwählen?

Arens: Die Förderlandschaft in Deutschland ist mittlerweile sehr unübersichtlich, sodass dies ländliche Regionen und kleine Kommunen kaum noch durchschauen können. Die Kommunen finden nicht mehr durch den Förderdschungel. Es ist natürlich gut, dass sehr viel Geld im Fördersystem bereitsteht. Wenn aber jedes Ministerium ein eigenes Förderprojekt und dann womöglich auch noch zum gleichen Thema aus der Tasche zieht, verlieren die Kommunen und Akteur:innen die Orientierung und wissen überhaupt nicht mehr, welches Förderprogramm für sie das geeignetste ist. Die Ministerien auf Landes- und Bundesebene müssen sich hier aus meiner Sicht viel besser abstimmen und integrierter denken, so wie es von Projektträger:innen oft auch bei Inhalten und Projektschritten verlangt wird.  

Die Projektlaufzeiten sind oft zu kurz. Meistens nur drei Jahre oder in letzter Zeit auch verstärkt nur 18 Monate.

Welche Punkte erschweren die Projektarbeit noch? 

Arens: Die Projektlaufzeiten sind oft zu kurz. Meistens nur drei Jahre oder in letzter Zeit auch verstärkt nur 18 Monate. In einer Laufzeit von 18 Monaten können Sie z. B. Konzeptprojekte entwickeln oder vielleicht auch ein einfaches digitales Projekt umsetzen, das ist in Ordnung. Wenn es aber um die Umsetzung von Projekten gerade auch zu neuen ungeübten Themen geht, die vor Ort eine Strukturwirksamkeit entwickeln sollen und in denen z. B. auch eine Person gesucht und eingestellt und eine Projektstruktur aufgebaut werden muss, ist das viel zu kurz. Dann ist die Zeit schnell verflogen, ehe ein Projekt richtig aufgestellt und implementiert ist, damit es danach nachhaltig und auch ohne Förderung weiterlaufen kann.  

Was passiert, wenn es keine Nachförderung gibt? 

Arens: Das bedeutet in vielen Fällen, dass viele sinnvolle Projekte nicht mehr weitergeführt werden können. Sie verlaufen dann im Sande, was eigentlich nicht im Sinne der Fördergeber sein kann. Gute Erfahrungen haben wir damit gemacht, wenn Kommunen eine Stelle einrichten, die sich allein um das Fördermittelmanagement und die Fördermittelakquise kümmert – auch wenn z. B. eine Nachförderung notwendig wird. Die Kosten für die Stelle werden dann durch die eingeworbenen Förderungen leicht wieder hereingeholt.  

 

Weitere Informationen zu Smart Cities und REGIONALE 2025 finden Sie auf den Websites: smartcities-suedwestfalen.com/regionale-suedwestfalen.com und suedwestfalen-agentur.com 

Titelfoto: Hansjörg Keller on Unsplash
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