Dörfer im Kreis Höxter zeigen, wie die digitale Transformation im ländlichen Raum gelingen kann. Sie nutzen die Chancen der Digitalisierung, um smarte Lösungen für den demografischen Wandel zu erproben und die Zukunftsfähigkeit ihrer Heimat zu stärken. Nachdem das Leuchtturmprojekt Smart Country Side (SCS) endete und die Breitbandanbindung vorhanden ist, erproben jetzt 30 Dorfgemeinschaften im Rahmen des LEADER-Projektes „Dorf.Zukunft.Digital“ (DZD) drei Jahre lang bedarfsgerecht digitale Anwendungen und stärken ihre digitale Kompetenz. Träger ist die VHS Diemel-Egge-Weser.
Gerade wurde das Projekt DZD anlässlich des bundesweiten Digitaltags von einer Jury und dem Bundespräsidenten mit dem Preis für digitales Miteinander in der Kategorie digitale Teilhabe ausgezeichnet, was zu zahlreichen Anfragen anderer Dörfer und Kommunen führte. Sie wollen entweder am Projekt DZD teilnehmen oder ähnliche Projekte in ihren Regionen auf den Weg bringen. Immer steht die Frage im Raum, welche Erfolgsfaktoren die Digitalprojekte im Kreis Höxter kennzeichnen und wie davon auch anderswo profitiert werden kann.
Der besondere Erfolg der Digitalprojekte basiert laut wissenschaftlicher Begleitevaluation auf sechs Säulen: 1. die Beteiligung der Dorfgemeinschaften von Beginn an, 2. das herausragende ehrenamtliche Engagement der Bürger*innen, 3. die Vermittlung digitaler Kompetenz, 4. die Erprobung bedarfsgerechter digitaler Anwendungen mit konkretem Nutzen für die Orte, 5. Die Schaffung von Blaupausen für andere Regionen, 6. bundesweite Kooperationen, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit.
Dorf.Zukunft.Digital: Vorteile der Digitalisierung pragmatisch nutzen
Jedes Dorf ist anders, aber eines haben alle projektbeteiligten Orte im Kreis Höxter gemeinsam: Den unbedingten Willen, die Vorteile der Digitalisierung pragmatisch zu nutzen, um Herausforderungen vor Ort zu lösen und die eigene Zukunftsfähigkeit zu stärken. Den Bürger*innen geht es dabei um alltagstaugliche und niedrigschwellige Lösungen, die ihre Daseinsvorsorge und Lebensqualität, das Vereinsleben sowie das soziale Miteinander im Dorf stärken. Sie organisieren sich in sorgenden Gemeinschaften, d. h. analoge Kommunikations- und Hilfsangebote werden durch digitale Dienste ergänzt, so dass alle daran teilhaben und davon profitieren können. Hier in OWL wird nicht gezaudert, sondern angepackt. Die Menschen wissen, Zukunft ist kein Schicksal, sondern etwas, das man vor Ort selbst gestalten kann.
Hier in OWL wird nicht gezaudert, sondern angepackt.
Aus diesem bestimmten Handeln geben wichtige Impulse an Politik, Verwaltung und Gesellschaft. Denn sie sind Vorbild dafür, wie die digitale Transformation im ländlichen Raum gelingen kann. Ihr mutiges Voranschreiten hat mit dazu beigetragen, dass nach der Kommunalwahl 2020 die Umsetzung der kreisweiten Digitalisierungsstrategie erfolgt, bei deren Entwicklung die besonderen Anliegen der Dörfer berücksichtigt wurden. Je Dorf gibt es zwei ausgebildete Dorf-Digital-Lotsen, die zusammen mit den Kommunen die gemeinsam definierten Projekte auf Augenhöhe umsetzen. Denn was nützen schöne, neue, digitale Bürgerdienste, wenn sie in den Dörfern nicht ankommen oder ungenutzt bleiben?
Das Projekt DZD bereitet hierfür das Feld und fragte die Bürger*innen aus den 30 projektbeteiligten Dörfern anlässlich des Digitaltags, welche digitalen Dienste sich die Dörfer von Kommunen und Kreis wünschen? Ganz oben auf der Wunschliste stehen 1. das digitale Rathaus, d. h. statt Behördengängen kann alles Offizielle online erledigt werden, 2. freies WLAN an allen öffentlichen Orten und Plätzen, 3. virtuelle für jedermann zugängliche Datenräume (Clouds) als Plattform für alle relevanten offiziellen Unterlagen, Formulare, Infografiken, Pläne, etc. 4. zentrale Gesundheits- und Seniorenplattform für alle Kommunen, 5. digitales Umwelt- und Klima-Monitoring für alle Kommunen und 6. digitale Unterstützung (Relocation Service) für alle Neubürger*innen im Kreis und 7. natürlich 5G sowie leistungsstarkes Internet an jeder Milchkanne für Homeschooling, Homeoffice und New Work.
Vision 2025: Fit für die digitale Zukunft
Im Dorf von Morgen nutzen nicht nur alle Einwohner die digitale Dorf-Plattform, die mit dem digitalen Rathaus vernetzt ist, sondern auch das digitale Infoterminal, der auch Touristen und Besucher jederzeit über das aktuelle Geschehen vor Ort und im Kreis informiert. Im digitalen Dorfzentrum finden im digitalen Klassenzimmer Schulungen und Veranstaltungen zur Vermittlung digitaler Kompetenz für Jung und Alt sowie Homeschooling und Videokonferenzen statt. Hier kann jeder seine digital bestellten Einkäufe abholen, Mitfahrer für das gemeinsame „E-Dorfauto“ treffen oder digitale Gesundheitsservices ausprobieren. Hier befindet sich das digital-analoge Erzählcafé als beliebter Treffpunkt, an dem Dorfgeschichten erzählt und mit digitaler Technik in der digitalen Dorfchronik festgehalten werden können.
Alle Orte, ob Kapelle auf dem Berg oder die Smarte Bürgerhalle in der Dorfmitte, sind mit breitbandigem Internet und 5G ausgestattet und durch 3D-Ansichten virtuell begehbar. Belegungspläne und Verbräuche sind digital und mobil abruf- und steuerbar. Hier befindet sich der Co-Working-Space mit New Work-Angeboten. Es finden regelmäßig Social Media-Gottesdienste statt, die von Schüler*innen vorbereitet werden, damit auch skeptische Eltern und Großeltern gerne teilnehmen. Seelsorge, Halt und Hilfe wird von engagierten Menschen auch digital angeboten und damit die analoge Nachbarschaftshilfe ergänzt. Das Gespräch über den Gartenzaun findet auch auf dem digitalen Marktplatz statt, hier werden News, Hilfe und allerlei Brauchbares aus Haus, Keller und Garten ausgetauscht. In der digitalen Dorfmitte finden neu Zugezogene Rat und Tat, um sich schnell in die Gegend und ins Dorfleben zu integrieren.
Sich gemeinsam auf den Weg machen
Digitalprojekte wie SCS und DZD zeigen, wie Tradition und Innovation, analog und digital zusammen dazu beitragen können, das Dorf der Zukunft zu gestalten. Wichtig ist, dass sich Menschen auf den Weg machen und die Chancen der Digitalisierung für sich nutzen. Da ist Resi Leßmann aus Großen- und Kleinenbreden mit ihren 97 Jahren ein leuchtendes Beispiel. Sie hat den Live-Chat mit dem Bundespräsidenten auf ihrem Tablet verfolgt. Das projektbeteiligte Dorf erhielt zudem für die klügste digitale Dorf-Vision 2025 ein zusätzliches Tablet für seine Lern- und Medienecke.
Unsere Gesellschaft wird eine andere sein, nach der Corona-Pandemie. Smarte, digitale Dienste und digitale Kommunikation werden den Alltag in den Dörfern prägen und bereichern. Zeit, dass sich noch mehr Kommunen auf den digitalen Weg machen. Die Dörfer im Kreis Höxter machen es bereits vor.
Lesen Sie weitere Beiträge über das Projekt Smart Country Side, das in den Kreisen Lippe und Höxter aktiv ist:
Wie der DorfFunk die Corona-Pandemie erträglicher macht
Vom Leuchtturm zum Leader: Kreis Höxter treibt Digitalisierung voran
Sozial braucht Digital: Ehrenamt und Digitalisierung auf dem Land
Smart Country Side: Bürger erproben das digitale Dorf von morgen
Die Dorf-Digital-Experten: Pioniere für das sorgende Dorf
Digitalisierung und Kirche: Wie passt das zusammen?
Titelfoto: VHS-Zweckverband Diemel-Egge-Weser
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