Animation Digitales Rathaus
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Digitales Rathaus in Tangerhütte: „Es passt in die Corona-Zeit“

Eigentlich wollte sich die Einheitsgemeinde Tangerhütte in Sachsen-Anhalt mit dem Digitalen Rathaus noch etwas Zeit lassen. Dann kam die Corona-Pandemie und die Anwendung für Online-Bürgerdienste wurde zügig freigeschaltet. Ein knappes Jahr später berichtet Bürgermeister Andreas Brohm (parteilos) im Interview über die Resonanz und die Erleichterungen für die Menschen und Mitarbeitenden.

Sie haben Ihren digitalen Bürgerservice bereits am 23. März 2020 freigeschaltet. Warum haben Sie den Start vorgezogen?

Andreas Brohm: Den Start hatten wir so nicht geplant. Wir haben ihn wegen der Corona-Pandemie um ein paar Monate vorgezogen, weil wir die Sorge hatten, dass wir die Menschen nicht mehr erreichen, wenn wir schließen müssen. Es folgte ein rasantes Jahr.

Wie verlief der Start?

Brohm: Wir hatten zu Beginn bereits die notwendigen Strukturen geschaffen und einige Formulare entwickelt, die jede:r Nutzer:in verwenden kann und auch andere Kommunen übernehmen können. Das zeigt, dass wir gut vorbereitet waren. Dann wollten wir die App im App Store anmelden. Das war die Herausforderung und hat viel länger gedauert als geplant. Wir mussten den Anbietern in den USA zunächst erklären, was eine deutsche Kommune ist. Das kannten sie nicht. Dazu kommt, dass wir nicht überall Mobilfunkempfang haben. Die Zwei-Wege-Authentifizierung hat also nicht funktioniert. Denn wenn man sich anmeldete, wurde eine SMS an die Mobilfunknummer gesendet. Jetzt geht es bei jeder Anmeldung ganz bequem mit dem Fingerprint.

Wie kam Ihr Angebot bei den Bürger:innen an?

Brohm: Unser Angebot kann man über eine App oder die Internetseite erreichen. Dazu richtet man sich ein Bürgerkonto ein. Inzwischen gibt es über 1.000 Konten bei etwa 10.000 Einwohner: Innen in Tangerhütte. Die Bürger:innen können somit vieles von zu Hause erledigen oder einen Termin ohne Wartezeit buchen. Das passt in die aktuelle Zeit.

Sie möchten auch die Impftermine über die Anwendungen laufen lassen.

Brohm: Wir brauchen dafür keine Hotline mehr. Bürger:innen können jetzt online einen Impftermin buchen – auch ohne Bürgerkonto. Für uns als Kommune liegt der Vorteil darin, dass wir die Impfungen auch digital dokumentieren können.

Eine große Herausforderung ist, wie wir die über 80-Jährigen animiert bekommen, sich der digitalen Anwendung zu stellen. Oder wer ihnen hilft? Kinder, Enkel, Nachbarn, Freunde? Digitalisierung heißt nicht, dass man eine fertige Anwendung vorlegt und es jeder mit sich alleine ausmachen muss. Es bedeutet, die User:innen an die Hand zu nehmen und diese dafür zu begeistern. Das ist auch eine Aufgabe der Kommune, auch wenn es nirgendwo steht.

Welchen Service bietet das Digitale Rathaus noch?

Brohm: Das fängt bei der Erteilung einer Hausnummer an und hört bei der Gewerbe-Anmeldung auf. Wir können darüber auch amtliche Warnungen in einem Katastrophenfall schicken. Eltern können digital die Erstattung der Kita-Beiträge beantragen, weil die Kitas in der Corona-Pandemie lange geschlossen waren. Vorher musste man dafür den Antrag herunterladen, ausdrucken, ausfüllen, in einen Briefumschlag stecken, mit einer Briefmarke bekleben und in den Briefkasten stecken. Ich habe gar keine Briefmarke mehr und müsste erst mal zur Post. Das kann ich wiederum erst nach Dienstschluss machen. Es ist also unglaublich aufwendig gewesen. Bis der Brief bei uns war, konnten schnell drei oder vier Tage vergehen. Jetzt haben wir den Antrag direkt digital in der Verwaltung vorliegen und können diesen direkt verarbeiten.

Was bringt es den Mitarbeitenden?

Brohm: Erstmal ist es mehr Aufwand. Wir machen parallel beides: Digital und analog. Sie ändern den Workflow im Haus. Digitalisierung hat nur bedingt etwas mit Technik zu tun. Es ist vielmehr ein Transformationsprozess. Das ist quasi die Operation am offenen Herzen in einer Verwaltung. Den Prozess haben wir bereits 2018 gestartet. Jetzt gibt es eine Zeitersparnis bei der Bearbeitung. Sie erzeugen auch eine neue Kundenfreundlichkeit, weil diese nicht mehr warten müssen. Wir haben es inzwischen geschafft, Mitarbeitende so weit zu begeistern, dass sie jetzt selbst Vorschläge einbringen, welche Prozesse noch vereinfacht werden könnten.

 

 

Die Fragen stellte Fabian Wahl.

Titelfoto: Smart Country /www.salt-content.de

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