Auf dem Weg zur Arbeit war im Autoradio zu hören, dass immer mehr Niedersachsen (ich bin auch einer) mit dem Auto zur Arbeit fahren (so wie ich heute rund 60 km). In Niedersachsen nutzen mittlerweile rund 70 Prozent aller Berufstätigen den Pkw, um damit zu ihrem Arbeitsplatz zu fahren. Die gerade veröffentlichte Zahl hat das niedersächsische Landesamt für Statistik (LSN) für das Jahr 2016 erhoben. Im Jahr 2008 lag die Quote noch bei 65 Prozent. Der Anteil der Berufstätigen, die für das Erreichen des Arbeitsplatzes den ÖPNV nutzen, ist im gleichen Zeitraum sogar leicht von 9,1 auf 8,7 Prozent zurückgegangen. Und das, obwohl massiv in den ÖPNV investiert wird, wie auch das Land Niedersachsen zeitgleich betonte. Aber Investitionen in den ÖPNV sind nicht alles. Sie adressieren meist nicht die sehr individuellen Mobilitätsbedürfnisse der Menschen.
Wohnungssuchende ziehen ins Umland – und pendeln in die Stadt
Der in Niedersachsen gerade nachgewiesene und schwer zu erschütternde Trend zum PKW lässt sich auf viele Regionen in Deutschland übertragen. Denn das individuelle Mobilitätsbedürfnis ist konstant hoch und betrifft in hohem Maße den Weg zur Arbeit. Hier kommen dann verschiedene Aspekte zusammen: In den Städten, wo die Mehrzahl der Arbeitsplätze angesiedelt ist, ist Wohnen immer teurer. Das führt im Umland der Metropolen und großen Städten, z.B. den „Zentren der Wissensgesellschaft“ vielerorts zu sogenannten Überschwappeffekten: Die Kapazitäten zur Aufnahme von Zuziehenden sind begrenzt und Wohnungssuchende werden ins Umland „verdrängt“. Das zeigt unsere gerade veröffentlichte Studie. Die Wanderungsbewegungen, also Umzüge innerhalb Deutschlands nehmen zu, und in der Folge profitieren von den Zuzügen nicht nur die großen Städte, sondern viele Klein- und Mittelstädte.
Wie lassen sich Mobilitätsbedürfnisse und Nachhaltigkeit in Kommunen vereinen?
Damit einher geht das beschriebene große Mobilitätsbedürfnis, denn die Arbeitsplätze folgen den Menschen naturgemäß nicht. In der Folge wird das Pendleraufkommen größer. Viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet hier die Digitalisierung. Genutzt werden sie gleichwohl noch viel zu wenig. Investitionen in den ÖPNV sind wichtig, aber eine klare Akzentsetzung zur Nutzbarmachung digitaler Anwendungen und Services fehlen allzu oft. Das verwundert. Denn bedarfsgerechte, flexible und auch bezahlbare Mobilitätsangebote sowie eine insgesamt gute Erreichbarkeit sind ein zunehmend wichtiger Standortfaktor für Kommunen und Regionen. Für unsere individuelle Mobilität verwenden wir täglich Ressourcen wie Zeit, Geld und Rohstoffe. Und je nach Mobilitätsform werden dabei hohe Emissionen erzeugt. Denn im Mittelpunkt steht neben Bahn und Bus noch immer vor allem der Pkw. Daher herrscht Einigkeit darüber, dass sich die Zukunft der physischen Mobilität einerseits an den Bedürfnissen der Menschen in unterschiedlichen Räumen orientieren muss. Andererseits müssen aber auch Nachhaltigkeitsgrundsätze im Hinblick auf die zunehmend belastete Umwelt und begrenzte fossile Ressourcen berücksichtigt und Alternativen zur individuellen Mobilität entwickelt werden.
Wie können diese Herausforderungen digital gelöst werden?
Die Digitalisierung ermöglicht neue Mobilitätsoptionen wie selbstfahrende Busse oder Mobilitätsketten aus unterschiedlichen Verkehrsmitteln, die via App komfortabel nutzbar werden. Ein anderer Ansatz ist die Vermeidung von individueller Mobilität mit dem Pkw: Co-Working-Spaces im ländlichen Raum oder Homeoffice reduzieren den Verkehr und sparen Zeit. Wie viel CO2-Reduktion wäre für Deutschland allein dadurch möglich, dass in den Unternehmen konsequent Homeoffice ermöglicht würde? Hier schließt sich der Kreis.
Wie können nun neue Konzepte zur Mobilität entstehen? Die zunehmende Pkw-Nutzung durch Pendler, die jenseits der Großstädte wohnen muss klar analysiert und Alternativen entwickelt werden. Das Ziel der CO2-Reduktion muss ernst genommen werden. Die Digitalisierung kann dabei ein wichtiger Hebel sein. Für Niedersachsen und für ganz Deutschland wäre viel gewonnen!
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Die Gemeinde Prötzel in Märkisch-Oderland entwickelt gerade eine Mitfahr-App. Diese App heißt “Pampa” und hilft Nachbarn im Dorf, sich gegenseitig mitzunehmen. Mehr Informationen auf http://www.pampa-mitfahren.de
Wir brauchen übrigens finanzielle Unterstützung um die App aus der Betaphase in einen Zustand zu überführen, der die App überall und für alle im ländlichen Raum nutzbar macht! Bei Ideen und Interesse einfach bei uns melden. Wir freuen uns!
Spannende Gedanken, vielen Dank. Ich denke ein möglicher Ansatz um das Pendeln etwas einzuschränken könnten auch Coworking-Spaces “auf dem Land” sein. Ich erlebe hier in Schleswig-Holstein gerade im Projekt “CoWorkLand” welche Möglichkeiten und Potenziale hier vorhanden sind. Fast an allen Orten, an denen die “Coworking-Box” bisher stannd, war der Zuspruch und die Nutzung sehr hoch (mehr unter: https://www.coworkland.de/coworkland/).
Ja, Coworking-Spaces werden im Hinblick auf Pendeln und die Anforderungen an modernes Arbeiten auch in den weniger städtischen Regionen eine gewichtige Rolle spielen. mit dem Projekt “Coworkland” sind wir in Kontakt. Ein tolles und sehr pragmasisches Beispiel, wie Infrastrukturen im ländlichen Raum weiterentwickelt werden können.
Toll,
“pampa-mitfahren” sollte auch bei mir im Westerwald funktionieren ?
LG