Wenn er nicht als noch relativ jung daherkäme, dann könnte man ihn als Dorfältesten bezeichnen. Der Begriff bezeichnet Menschen, die einen großen Erfahrungsschatz haben und Leitfigur in ihrer Gemeinde sind. Der 65-jährige Hans-Werner Gorzolka aus Ovenhausen im Kreis Höxter ist solch eine Triebfeder. Er ist nicht nur Macher, sondern auch Mitmacher und Kümmerer. Seit dem Start des Kooperationsprojektes Smart Country Side (SCS) der Landkreise Höxter und Lippe (Ostwestfalen-Lippe/NRW), ist Gorzolka in der Region einer der engagiertesten Dorfbewohner. Sein Ziel: Das solidarische Miteinander im Dorf zu stärken; auch mit Hilfe der Digitalisierung. Dabei sieht er sich als Wegbereiter, weiß aber auch: „Man muss immer Teil des Teams bleiben und Erfolge teilen, damit am Ende alle zufrieden sind.“
„Wirf einen Stein ins Wasser und er zieht große Kreise“
Als der Aufruf die Dörfer (16 im Kreis Höxter, 10 im Kreis Lippe) erreichte, sich an dem Projekt zu beteiligen und mit der Dorfgemeinschaft zusammen digitale Anwendungen zu entwickeln und zu erproben, rief Gorzolka sein Dorf-Netzwerk zusammen. Im Klöncafé entstanden die ersten Ideen, die bei einem Wettbewerb prämiert wurden.
Wir vom Projekt SCS wollen das bürgerschaftliche Engagement und den Zusammenhalt der Bürger fördern. Im Zuge des demografischen Wandels ist es notwendig, neue Wege zu gehen, damit auch junge Menschen für Vereine und karitative Aufgaben im Dorf gewonnen werden. Ich erlebe, dass Dörfer ganz unterschiedlich aufgestellt sind. Manche wollen die Chance des digitalen Wandels aktiv nutzen, andere befinden sich im Tiefschlaf und warten auf Aktivitäten der Kommunen.
„Einer muss den Karren ziehen“, so Gorzolka. Vor diesen lässt er sich gerne spannen. Er hat in jungen Jahren gelernt, wie Teams motiviert werden. Als Pionier bei der Bundeswehr war er Helfer, Wegbereiter und als Zugführer für rund 30 Soldaten verantwortlich. Auch später, als Hauptmann und Oberst, hatte er klare Ziele vor Augen. Er weiß: „Motivation und Selbstvertrauen entstehen, wenn etwas gelingt. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit ist entscheidend für das bürgerschaftliche Engagement vor Ort. Zu sehen, was man zusammen bewirken kann“. Das ist eine Erkenntnis, die er aus den unterschiedlichsten Ehrenämtern, die er seit Jahren bekleidet (als Kirchenvorstand, als Kreisheimatpfleger, im Kulturbeirat, in der Dorfbewertungskommission) immer wieder bestätigt findet. Führung scheint ihm in die Wiege gelegt zu sein, denn auch als Abteilungsleiter Bauen und Planen beim Kreis Höxter führt Gorzolka seine Mitarbeiter und bringt die unterschiedlichsten Interessen von Planern, Bauherren und Genehmigungsbehörden unter einen Hut.
Er ist davon überzeugt, dass die Bürger erfahren müssen, dass sich Engagement im Dorf lohnt und jedes Talent zählt, denn schon mit kleinen Projekten können sichtbare Erfolge erzielt werden. Was vor Ort geregelt und organisiert werden kann, muss auch dort entschieden werden. Nur so können die Dörfer ihre Eigenständigkeit bewahren. „Solange wir Ehrenamtliche finden, ist Dorfentwicklung möglich. Das fängt im Kopf und Herzen jedes Einzelnen an. Wer nur um sich selbst kreist, sich nur um das eigene Wohl kümmert, der entbehrt der Freude, Teil einer Gemeinschaft zu sein. „Wir sind doch die Goldgeneration 60+. Da können wir uns alle noch locker 30 Jahre engagieren. Ergo – den Hintern hoch vom Sofa“, sagt Gorzolka mit einem Augenzwinkern.
Dorf-Digital-Experten geben ihr Wissen an die Dorfgemeinschaft weiter
Er ist sich nicht zu schade, von Haustür zu Haustür zu gehen und seine Mitbürger zu informieren und zur Mitarbeit an seiner Vision eines „sorgenden Dorfes“ zu bewegen. Im Herbst soll die Dorf-App mit der Fürsorge-Plattform online sein. „Sie bietet vielfältige Hilfeleistungen für unsere Senioren, Familien, Hochbetagten und Alleinstehenden. Ob Einkaufshilfe, Transport zum Arzt, Krankenbesuche, digitale Seelsorge, Kinderbetreuung, Ausleihe von Werkzeugen oder Beratung bei allen Lebensfragen. Jeder kann von den Hilfsangeboten profitieren“, so Gorzolka. Damit sich die Bürger in der digital vernetzten Welt zurechtfinden, schulen 12 künftige Dorf-Digital-Experten aus Ovenhausen zusammen mit 130 interessierten Bürger aus anderen Dörfern derzeit ihre digitale Kompetenz und geben ihr Wissen ehrenamtlich an die Dorfgemeinschaft weiter.
Sie lernen, wie man Smartphones und Tablets bedient oder Serien streamt und Skype benutzt, wie man Bahnkarten online bucht, im Netz rechtssicher einkauft und Überweisungen tätigt oder den eigenen digitalen Nachlass regelt. Zusätzlich beteiligen sich die Dorf-Digital-Experten auch an Exkursionen und Veranstaltungen zum Thema. So fand im Pfarrheim Ovenhausen eine viel beachtete Diskussionsrunde zu Social-Media-Gottesdiensten und der Frage statt, ob und wie die Kirche die Chancen der Digitalisierung nutzen soll. Auch eine Kirchen-App und einen digitalen Marktplatz soll es geben. Gorzolka bekam von seinen Kindern ein Smartphone geschenkt, um mitreden zu können. Sein Antrieb ist die Freude am Gestalten und zu sehen, wie Dinge gelingen und sich verbessern. Nachhaltig Spuren hinterlassen und versuchen Vorbild zu sein, ist sein großer Wunsch.
In dem Projekt SCS ist es Gorzolka wichtig, die alten Tugenden wieder erlebbar zu machen. Für ihn bedeutet dies: Verlässlichkeit, Verbindlichkeit, Transparenz und Offenheit. „Wenn es gelingt sich die Welt zum Dorf zu machen, niederschwellig und im Kleinen anzufangen, dann ist schon ein guter Anfang gemacht, aus dem sich Großes entwickeln kann“, so der Vater von vier erwachsenen Kindern und Opa zweier Enkelkinder.
„Ein Ministerium kann keine Heimat schaffen“
Für Gorzolka ist Heimat eng verbunden mit den Menschen, die in seinem Dorf leben. Sie, die Vereine, Nachbarschaften und Freundeskreise sind das Rückgrat der Dorfgemeinschaft und machen für ihn den „Mikrokosmos Dorf“ erlebbar. „Ein Ministerium kann für den ländlichen Raum bedarfsgerechte Richtlinien und Förderprojekte auf den Weg bringen; aber keine Heimat schaffen. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, das sich einstellt, wenn man füreinander da ist und sich kümmert, das kann keine Verwaltung planen oder anordnen. Gute, vertrauensvolle Beziehungen an dem Ort in dem ich lebe, das sind Kitt und Klebstoff für das Heimatgefühl.“
„Wer den Schuss allerdings bis jetzt nicht gehört hat, wird als Dorf verlieren. Man braucht die Gemeinschaft und um voran zu kommen, muss man zusammen im Boot rudern. Dennoch liegt – um im Bild zu bleiben – zwischen Reden und Tun immer noch das Meer“, so Gorzolka.
Ich, die ich an vielen der beschriebenen Aktivitäten in Ovenhausen beteiligt bin, ziehe meinen Hut vor so viel vorbildlichem Engagement. Hans-Werner ist mir mit seiner fokussierten und mitnehmenden Art ans Herz gewachsen und ist für das Projekt SCS ein wichtiger Motor und Katalysator.
Dieser Beitrag ist der 2. Teil einer Blogserie des Projekts Smart Country Side, das in den Kreisen Lippe und Höxter aktiv ist.
Lesen Sie auch:
1. Teil: Smart Country Side: Bürger erproben das digitale Dorf von morgen
3. Teil: Digitalisierung und Kirche: Wie passt das zusammen?
Vielen Dank liebe KollegInnen für diesen Beitrag,
ähnliches habe ich im Westerwald versucht leider ohne Erfolg.
Da jetzt nach Limburg/Lahn umgezogen werde ich hier einen Neuen Anlauf nehmen.
LG vom
Digital Botschafter der Bu Länder RLP/Hessen.