Das Eichenzeller Schlösschen ist auch das Rathaus der Gemeinde.
Das Eichenzeller Schlösschen ist auch das Rathaus der Gemeinde. Foto: Christian P. Stadtfeld
Förderprogramme

Smart City Eichenzell: “Vor großen Aufgaben schrecken wir nicht zurück”

Davon träumen sicherlich viele Kommunen: Mit einer Fördersumme in Millionenhöhe darf sich die Gemeinde Eichenzell in Hessen in Sachen Digitalisierung neu erfinden. Denn Eichenzell hat sich bei der Ausschreibung „Modellprojekte Smart Cities“ des Bundesinnenministeriums durchgesetzt. Im Interview erklärt Bürgermeister Johannes Rothmund, wie die kleine Kommune die Bewerbung angegangen ist und welche Faktoren maßgeblich für den Erfolg waren.

Die Gemeinde Eichenzell ist im September vom Bundesinnenministerium neben 31 anderen Kommunen für das Förderprogramm „Modellprojekte Smart Cities“ ausgewählt worden. Wie haben Sie die Jury überzeugt?

Johannes Rothmund: Wir wissen natürlich nicht, was die Jury letztendlich dazu bewogen hat. Für Eichenzell sprach in jedem Fall die vorhandene Infrastruktur. Wir haben ein kommunales Glasfasernetz, das quasi in jedem Haus liegt. Was aktuell bundesweit diskutiert wird, haben wir bereits 2012 beschlossen und 2017 ohne Förderung fertiggestellt. Somit müssen wir nicht erst die Infrastruktur schaffen, um ein Smart City Projekt umzusetzen.


Stichwort: Smart City Eichenzell

Die Gemeinde Eichenzell wird im Rahmen der „Modellprojekte Smart City“ mit 10,6 Millionen Euro vom Bundesinnenministerium gefördert. Der Eigenanteil, den die 11.000-Einwohner-Gemeinde einbringt, liegt bei 6,2 Millionen Euro. Eventuell wird Eichenzell beim Eigenanteil auch noch vom Land Hessen unterstützt. Die sechs Handlungsfelder in Eichenzell lauten: Wohnen/Leben/Stadtentwicklung, Umwelt/Energie, Wirtschaft, Gesundheit/Pflege, Mobilität und Verkehr/Smart Traffic.


Was war darüber hinaus sonst noch entscheidend?

Rothmund: Wir haben Digitalisierung so verstanden, dass es dem Menschen dienen soll. Für diesen soll es einen Mehrwert geben. Wir haben keine direkte Verbindung zur Verwaltungsdigitalisierung. Der Mensch und sein Alltagsleben stehen wirklich im Mittelpunkt. Gerade im ländlichen Raum kann digitale Transformation gut gelingen.

Durch den Bau des eigenen Glasfasernetzes konnten wir bereits zeigen, dass wir vor großen Aufgaben nicht zurückschrecken. Außerdem haben wir Projekte aufgezeigt, die alle technisch realisierbar sind. Wir haben wenig Wert auf die eigene Forschung oder die eigene Entwicklung gelegt. Wir nutzen im Prinzip weitestgehend technisch vorhandene Lösungen. Damit haben wir gezeigt, dass wir Digitalisierung tatsächlich in relativ kurzer Frist für Menschen erfahrbar und fühlbar machen. Ich bin mir nicht sicher, ob vor allem die großen Bewerbungen dies unmittelbar so aufgezeigt haben.Unter den 32 Modellprojekten finden sich viele Städte und Metropolen. Eichenzell gehört zu den kleinen Gemeinden. Was unterscheidet Ihre Bewerbung von der Großstadt?

Rothmund: Natürlich ist es für eine größere Kommune einfacher, sich über die Digitalisierung Gedanken zu machen. Wir sind als kleine Gemeinde eine Besonderheit, weil wir uns durch das Glasfasernetz schon sehr lange mit der Digitalisierung beschäftigen. In einer Großstadt ist die Fördersumme zwar ebenfalls groß. Aber relativ steht dort weniger Geld pro Einwohner zur Verfügung. Größere Kommunen haben durch die leistungsstärkere Verwaltung sicherlich mehr Power bei der Bewerbung und Konzeption. Für kleine Kommunen spricht hingegen die Agilität, schnelle Entscheidungswege und direkte Bürgerbeteiligung. Gerade im ländlichen Raum können die Bürger*innen wunderbar profitieren.

Autobahndreieck in Eichenzell

Die Gemeinde Eichenzell gehört zum Landkreis Fulda und ist sehr ländlich geprägt. Foto: Gemeinde Eichenzell.

Wie geht man so eine Bewerbung überhaupt an?

Rothmund: Für uns war klar, dass wir den Mehrwert des Glasfasernetzes noch weiter nutzen wollen. Im Jahr 2019 haben wir dann das Förderprogramm entdeckt. Wir wussten, wenn wir dort gewinnen würden, könnten wir mit dem Geld unsere Digitalisierungsbestrebungen schneller vorantreiben. An der Bewerbung haben wir dann ein Jahr gearbeitet.

Was waren die einzelnen Schritte?

Rothmund: Wir sind eine kleine Kommunalverwaltung und haben externe Berater:innen mit hinzugezogen. In dem Team war der frühere Bürgermeister, der Leiter der Bauabteilung, einige Verwaltungsmitarbeiter:innen und Bürgerinnen und Bürger, die sich eingebracht haben. Bis Mai hatten dann alle Gremien darüber einstimmig entschieden. Dann haben wir die Bewerbung abgeschickt.

Wie sah die Bewerbung aus?

Rothmund: Wir haben sechs verschiedene Handlungsfelder. Für jedes Handlungsfeld haben wir Projektideen entwickelt und vorgestellt. Wir haben die Projekte durchkalkuliert und einen Zeithorizont zur Verwirklichung dahinter geschrieben. Es war alles sehr konkret. Alle Projekte hatten wir ohnehin vor. Für einige haben wir uns auch anderweitig für Fördergelder beworben.

“Wir haben mit den ganz Großen konkurriert.”

Nach einer Vorauswahl wurden Sie dann zum Pitch eingeladen?

Rothmund: Nein. Wir wussten, dass die Jury am 2. September tagt. Am 8. September haben wir dann eine E-Mail im Postfach gehabt. Darin stand, dass Eichenzell jetzt Smart City ist. Daraufhin mussten wir uns erst mal setzen. Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir Smart City werden. Wir haben mit den ganz Großen konkurriert.

Wie geht es jetzt weiter?

Rothmund: Wir sind gerade dabei, Personalentscheidungen zu fällen. Wir schreiben drei neue Stellen aus. Dann beginnt die zwei Jahre lange Konzeptionsphase, in der wir die Projekte mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickeln. Darauf folgt die fünf Jahre lange Umsetzungsphase.

Welche Projekte sind als Erstes geplant?

Rothmund: Unter anderem planen wir eine Quartiersgarage. Anwohnerparkplätze stehen tagsüber oft leer. Wir wollen eine intelligente Lösung schaffen, damit diese Parkplätze tagsüber auch von anderen Personen genutzt werden können. Die Straßenbeleuchtung soll auch smart werden. Natürlich bekommen wir auch eine Eichenzell-App. Senioren sollen in Digitalisierungskursen geschult werden. Letztendlich haben wir ein ganzes Potpourri aus Ideen.

Die Fragen stellte Fabian Wahl.

Titelfoto: Christian P. Stadtfeld

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