Coworking Space in der Natur
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Coworking Spaces im ländlichen Raum: „Kommunen sollten sich herantasten“

In der Diskussion über das Arbeiten im Home Office erhält die Idee von Coworking Spaces neuen Auftrieb: Für viele Menschen bilden sie eine ernstzunehmende Alternative zum Home Office oder Pendeln zur Arbeitsstätte. Jule Lietzau von der Genossenschaft CoWorkLand erklärt im Interview, warum sich gerade Kommunen im ländlichen Raum jetzt mit dem Thema beschäftigen sollten.

Bei Coworking Spaces denkt man häufig an die Metropolen. Wie sieht es denn im ländlichen Raum aus?

Jule Lietzau: In Metropolen sind Coworking Spaces längst etabliert. Deutschlandweit gibt es etwa 700, davon befinden sich rund 150 im ländlichen Raum. Die Herausforderung ist, dass die Nachfrage nach einem ländlichen Coworking Space häufig erst mit dem Angebot entsteht. Ein Space muss überhaupt als Alternative wahrgenommen werden, ehe jemand die Räumlichkeiten nutzt. Dadurch müssen Betreiber*innen besonders in der Anfangsphase die Öffentlichkeit einbinden und das eigene Angebot stark kommunizieren. Wenn Kommunen nicht selbst gründen wollen, können sie mit privaten Anbietern kooperieren und zum Beispiel nur die Flächen zur Verfügung stellen.

Für welche Kommunen sind Coworking Spaces interessant?

Lietzau: Wenn wir Kommunen beraten, machen wir zunächst eine Potenzialanalyse. Wenn sich ein Potenzial ergibt, empfehlen wir zunächst die Einrichtung eines sogenannten Pop-Up Coworking Space. Diesen setzen wir durch mobile Raummodule um, die wir temporär in den Kommunen errichten oder aber in vorhandenem Leerstand. Denn Kommunen sollten sich erst mal an das Thema herantasten.

Coworking Space Stadtlohn

In Metropolen sind Coworking Spaces häufig schon etabliert. In kleineren Kommunen wie hier in Stadtlohn und auf dem Land besteht noch Nachholbedarf. © cw+ Stadtlohn.

Wie läuft das genau ab?

Lietzau: Pop-Up Coworking Spaces haben den Vorteil, dass sie mit wenigen Mitteln sehr schnell und zeitlich begrenzt in einer Landgemeinde oder Kleinstadt aufgebaut werden können. Die Testphase dauert meist drei oder vier Wochen. Das Testen des Angebots funktioniert hervorragend, weil man mit Interessierten ins Gespräch kommt. Was sind die Bedarfe? Welche Schwierigkeiten könnten entstehen? Nach der erfolgreichen Testphase können Kommunen das Angebot dann verstetigen.

Warum sollten Kommunen Coworking Spaces überhaupt gründen oder fördern?

Lietzau: Durch Coworking Spaces schaffen Kommunen zunächst ein Angebot für wohnortnahes Arbeiten. Das ist gut für eine nachhaltige Stadt- und Ortsentwicklung. Die Menschen bleiben vor Ort, so dass keine Schlafdörfer entstehen. Das zieht viele Sekundäreffekte nach sich: Örtliche Angebote werden mehr genutzt, darunter die des Einzelhandels, von Vereinen und Kultureinrichtungen.

Coworking Spaces sind ein Treiber von Innovationen. Das sind Orte, an denen sich Unternehmen ansiedeln oder neu gründen können. In Gettorf bei Kiel nutzt zum Beispiel ein IT-Dienstleister den kommunal betriebenen Coworking Space „Gettwork“ und bietet dort für Angestellte, die im Umkreis wohnen, einen dezentralen Arbeitsort in Wohnortnähe an.

Dazu kommt die ökologische Dimension: Pendelwege werden reduziert oder auf andere Beförderungsmittel wie Fahrrad oder ÖPNV umgestellt. Dadurch verringert sich natürlich der CO2-Ausstoß.

Für welche Kommunen macht die Errichtung Sinn?

Lietzau: Pauschal kann man sagen, dass es aus den genannten Gründen für alle sinnvoll ist. Wie sich die genaue Ausgestaltung darstellt, ist aber sehr individuell. Beispielsweise kann eine Kommune, die eine brachliegende Innenstadt hat, die Leerstände nutzen und wiederbeleben, um andere Nutzungsformen wieder anzugliedern. Wir sprechen hier vom Korallenriff-Effekt. Landgemeinden, die wiederum ein starkes touristisches Potenzial haben, können mit einer Kombination aus Arbeits- und Urlaubsort ihr Angebot erweitern.

Die Anfangsinvestition muss gar nicht so groß sein, wenn man zunächst einen gewissen Standard schafft und dann das Angebot weiterentwickelt. Natürlich muss die Infrastruktur stimmen und die Räume müssen auch ansprechend sein.

Lietzau: Wir haben durch Studien herausgefunden, dass die Nutzerschaft von Coworking Spaces ziemlich divers ist. Viele denken zunächst an Kreative, IT-Expert:innen oder Freelancer. Tatsächlich nutzen auch Lehrer:innen, Handwerker:innen und Angestellte die wohnortnahen Angebote. Durch die Corona-Pandemie ist es noch mal attraktiver geworden. Coworking ist in der breiten Gesellschaft angekommen.

Was müssen Kommunen beachten, damit sie auch langfristig genutzt werden?

Lietzau: Sie müssen stetig ein Ohr in der Community haben und darauf reagieren, indem sie das Angebot anpassen oder erweitern. Die Betreiber:innen sollten kontinuierlich für ihr Coworking Space werben. Sie sollten es in der Kommune selbst bekannt machen, in die nahen Großstädte tragen und mit Unternehmen sprechen.

Das Interview führte Fabian Wahl.

Titelfoto: Wir bauen Zukunft

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